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Auswirkungen von Extremwetter auf die Landwirtschaft

Sowohl der Synthesis Report des 5th Assessment Report (IPCC, 2014) als auch der Special Report on Extreme Weather Events (IPCC, 2012) des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) prognostizieren maßgebliche Veränderungen des Klimas für nahezu alle Breitengrade innerhalb der nächsten 100 Jahre. Dass sich die langfristigen klimatischen Änderungen und auch extreme Witterungsbedingungen direkt und indirekt auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken werden, ist mittlerweile unumstritten (z.B. Ellinger 2008). Zwar können sich in einigen Fällen durch veränderte klimatische Rahmenbedingungen auch Vorteile, z.B. eine Ausweitung der Anbauregionen, ergeben, allerdings stellt das hohe Risiko für stärker schwankende Erträge bzw. sogar komplette Ertragsausfälle, insbesondere durch Extreme, die Landwirtschaft vor große zukünftige Herausforderungen.

Apfel-Strumwurf

Abbildung 1: Sturmwurf in einer Apfelplantage. Foto: Wiebusch (OVR)

Besonders im Bereich der Temperaturen können bereits sehr verlässliche und genaue Angaben über die erwarteten Veränderungen getroffen werden. So wird für Zentraleuropa mit einem Anstieg der Temperatur zwischen 1 °C (RCP-Szenario 2.6) bis 5 °C (RCP-Szenario 8.5) bis zur Periode 2081-2100 gerechnet (vgl. 1986-2005), was über dem global erwarteten Anstieg liegt. Für Nordeuropa gehen die Forscher von einem stärkeren Anstieg der Temperaturen im Winterhalbjahr sowie der Tagesminimumtemperaturen im Vergleich zu den entsprechenden Tagesmaxima aus. Darauf basierend wird es zu geringeren Schwankungen innerhalb der Tagestemperaturen kommen und zu einer Verlängerung der Vegetationsperiode sowie einem früheren Eintritt der Kulturpflanzen in die entsprechenden Entwicklungsstadien. So konnten beispielsweise Racca et al. (2012) in Berechnungen mit dem Modell SIMONTO und unter Verwendung von Projektionsdaten des Klimamodells REMO ein signifikant früheres Auftreten der Entwicklungsstadien des Winterweizens bis 2100 berechnen. Aber auch im Sonderkulturanbau zeigen sich erhebliche Tendenzen zu einem früheren Vegetationsbeginn, insbesondere für Dauerkulturen wie Apfel und Wein. So konnte zum Beispiel am Standort Neustadt/Weinstraße ein um 11 Tage verfrühter Austrieb der Rebsorte Riesling seit 1976 verzeichnet werden, Tendenz weiter anhaltend (Oberhofer, 2012). Die oben genannten Berichte des IPCC (IPCC, 2012; IPCC, 2014) prognostizieren darüber hinaus mit ein intensiveres, häufigeres und länger anhaltendes Auftreten von Hitzewellen. Auch ein Anstieg der Intensität der Solarstrahlung und somit das Risiko für das Auftreten von Sonnenbrandschäden, welche bereits in den vergangenen Jahren an einer Vielzahl an Kulturen verstärkt beobachtet werden (u.a. Yuri et al., 2004; Wagner, 2010), wird prophezeit.
Die Vorhersagen in Bezug auf die zu erwartenden Veränderungen bei den Niederschlägen sind im direkten Vergleich zu den temperaturbezogenen Aussagen mit etwas geringeren Wahrscheinlichkeiten belegt. Dennoch zeichnen sich auch hier bereits heute einige signifikante Trends ab, die sich laut aktueller Klimaprojektionen für die Zukunft fortschreiben lassen. Es wird für Zentraleuropa von einem Anstieg der Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr und einer Abnahme der Niederschläge im Sommerhalbjahr ausgegangen. Damit kann das Risiko für Staunässe im Winter und das Risiko für Dürre ? und Trockenstressphasen im Sommerhalbjahr steigen. Die Häufigkeit der Sommerniederschläge wird sinken, allerdings wird von einem Anstieg der Intensität einzelner Niederschlagsereignisse ausgegangen. Insbesondere im Sommerhalbjahr wird so die Gefahr für das Auftreten und entsprechender direkter und indirekter Schäden an den Kulturpflanzen durch Starkregenereignisse steigen.

WeizenStaunässe

Abbidung 2: Vernässung nach Starkregen auf einem Weizenfeld. Foto: Niessner (ZALF)

Die Projektionen zu Windgeschwindigkeiten, Hagel und dem Risiko von Stürmen fallen derzeit noch schwer bzw. können im Falle von Hagel aufgrund fehlender Informationen nicht aus den Daten der Klimamodelle abgeleitet werden. Eine Zunahme der maximalen Windgeschwindigkeiten und der Häufigkeit von Stürmen gilt dennoch als wahrscheinlicher als eine Abnahme.
Es wird auch von einer Abnahme der Tage mit geschlossener Schneedecke ausgegangen. Insbesondere durch hohe Herbst- und Wintertemperaturen weit entwickelte Bestände können im Falle zwar seltener starker Frostereignisse in der zweiten Winterhälfte und Frühjahr geschädigt werden.
Bisher lag der Schwerpunkt der Forschung zur Wirkung des Klimawandels auf Land- und Forstwirtschaft vor allem auf der Abschätzung der Wirkung der sich langfristig ändernden Klimaparameter, wie dem Anstieg der Temperatur und der Abnahme der Niederschlagsmengen im Sommerhalbjahr. Es besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, um eine Abschätzung über die zukünftige Relevanz, die Risiken und Auswirkungen der projizierten Änderungen von Wetterextremen für die Land- und Forstwirtschaft durchführen zu können (van Oort et al., 2012).
Die Erkenntnisse zur Wirkung von Extremwetterereignissen auf land- und forstwirtschaftliche Kulturen basieren derzeit vorrangig auf Erfahrungswerten. Erst einige wenige Studien haben sich - oft theoretisch bzw. modellbasiert - mit Methoden des Monitorings und Risikomanagements von Extremwetterlagen in der Landwirtschaft beschäftigt (u.a. Maracchi et al., 2005; Gehrke, 2007).
Das Schadenspotential einer Extremwetterlage für die Kultur hängt erheblich von der betrachteten Kultur selbst, kulturtechnischen Faktoren wie der Bodenbearbeitung, der Anlagengestaltung, der Erziehungsform oder der Sortenwahl, dem Zeitpunkt des Auftretens, dem Vorhandensein direkter und indirekter Abwehrmaßnahmen sowie dem Standort ab. So können beispielsweise die Ausrichtung der Reihen einer Obstanlage zur Hauptwindrichtung, der Entwicklungsstand der Pflanzen oder morphologische Eigenschaften wie die Schalenfestigkeit von Obstsorten einen Einfluss auf den Grad der Schädigung von Hagelereignissen haben (u.a. Friedrich, 1993; Fischer et al., 2002; Bauer et al., 2008; Müller et al., 2008; Hoppmann, 2010; König, 2014). Der Zeitpunkt des Austriebs von Obstgehölzen, der maßgeblich von Sorteneigenschaften bestimmt wird, kann das Schadausmaß von Spätfrösten beeinflussen (z.B. Link, 2002). Auch im Ackerbau sind solche Zusammenhänge, beispielsweise in Hinblick auf die Toleranz gegenüber Trockenstress- und Hitzephasen, bekannt (z.B. Lütke Entrup & Oehmichen, 2000; Lüttger et al., 2005; Wechsung et al., 2008; Lüttger et al., 2011; Schönberger, 2011; Ehlers, 2013).

Hagelschaden

Abbildung 3: Hagelschaden an Apfelblüten. Foto: Wiebusch (OVR)

Das von 2013 bis 2015 gelaufene, vom BMEL geförderte Verbundprojekt ?Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten des Risikomanagements" (http://www.agrarrelevante-extremwetterlagen.de/; Gömann et al., 2015) analysierte erstmalig in so umfangreicher und interdisziplinärer Art die derzeitige und zukünftige Relevanz von Extremwetterlagen wie Dürre, Hagel, Hitze, Staunässe, Frost und Starkregen sowie ihre Auswirkungen als Risikofaktoren für die deutsche Land- und Forstwirtschaft. Die Untersuchungen im Rahmen des Projektes zeigten, dass in allen untersuchten acker-, garten-, obst- und forstbaulichen Kulturen das Auftreten von Extremwetterlagen binnen Stunden, Tagen oder weniger Wochen direkt oder indirekt mit teilweise empfindlichen Ertrags- und Qualitätsverlusten bis hin zu Totalausfällen einhergehen kann (Gömann et al. 2015; Krengel et al. 2015; Krengel et al. 2014a,b; Seidel 2014a,b). Darüber hinaus konnten zum Teil starke regionale Unterschiede in Hinblick auf die derzeitige und zukünftige Relevanz der einzelnen Extremwetterlagen nachgewiesen werden. So zeigte sich beispielsweise, dass vor allem für den Winterweizenanbau im ostdeutschen Raum das Risiko zu geringer Niederschläge und Bodenfeuchte (Trockenstress und Dürre) steigen wird, oder die Gefahr für Hitzestress in Süddeutschland bereits heute als auch in Zukunft deutlich höher ist als in Norddeutschland. Es wurde aber auch deutlich, dass Klimaprojektionen nur begrenzt aussagefähig sind und es zu Über- oder Unterschätzungen kommen kann. Beispielsweise wird die abnehmende Spätfrostwahrscheinlichkeit im Wein- und Apfelanbau durch einen bereits heute messbar früheren Vegetationsbeginn abgeschwächt oder sogar aufgehoben.

Im Folgenden werden auf

einzeln eingegangen und weiterführende Informationen, etwa zu Wetter und Klimaberichte und Broschüren zu Extremwetter und seinen Auswirkungen von unseren Projektüartnern DWD und ZALFverlinkt.

 

Literatur zu diesem Artikel

  • Bauer, K.; Regner, F. & Schildberger, B. (2008): Weinbau, 8. überarbeitete Auflage. Österreichischer Agrarverlag, Wien, 464 S.
  • Ehlers, W. (2013): Wie viel Wasser braucht der Mais? Mais 1: 8-9.
  • Ellinger, W (2008): The market for fruit. Agrarwirtschaft 57 (1): 59-68.
  • Fischer, M. (2002): Apfelanbau ? integriert und biologisch. Ulmer, Stuttgart, 224 S.
  • Friedrich, G. (1993): Handbuch des Obstbaus. Neumann Verlag, Radebeul, 621 S.
  • Gehrke, T. (2007): Risk management in a changing climate. Neue Landwirtschaft 8: 16-19.
  • Gömann, H.; Bender, A.; Bolte, A.; Dirksmeyer W.; Englert, H.; Feil, J.-H.; Frühauf, C.; Hauschild, M.; Krengel, S.; Lilienthal, H.; Löpmeier, F.-J.; Müller, J.; Mußhoff, O.; Natkhin, M.; Offermann, F.; Seidel, P.; Schmidt, M.; Seintsch, B.; Steidl, J.; Strohm K.; Zimmer, Y. (2015): Thünen Report 30 - Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL); Abschlussberich, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig, 317 S.
  • Hoppmann, D. (2010): Terroir ? Wetter, Klima, Boden, 1. Auflage, Ulmer, 224 S.
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